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Gute Geschäfte in der Pandemie

Wenn Ärzte und ihre MFA in der Pandemie die Stellung halten und bis zur Erschöpfung – auch am Wochenende – beraten, testen und impfen, dann bringt ihnen diese Leistung keineswegs irgendein kleines Stückchen Sympathie oder gar Verständnis in dem Teil der journalistischen Öffentlichkeit ein, der sich sowieso schon immer darin gefällt, die niedergelassenen und freiberuflichen Ärzte möglichst negativ darzustellen.

 

Wenn Ärzte und ihre MFA in der Pandemie die Stellung halten und bis zur Erschöpfung – auch am Wochenende – beraten, testen und impfen, dann bringt ihnen diese Leistung keineswegs irgendein kleines Stückchen Sympathie oder gar Verständnis in dem Teil der journalistischen Öffentlichkeit ein, der sich sowieso schon immer darin gefällt, die

niedergelassenen und freiberuflichen Ärzte möglichst negativ darzustellen.

 

Wenn Ärzte erstmalig seit Jahrzehnten Honorare erhalten (nämlich die fürs Impfen), die ihre Leistung halbwegs gerecht widerspiegeln und sich so mit denen von Rechtsanwälten oder Apothekern vergleichen lassen, dann sehen öffentlich-rechtliche Magazine eine unmoralische Geschäftstüchtigkeit von Ärzten – leider auch noch unterstützt von einzelnen Ärzten, über die ich hier beim besten Willen keinen Kommentar abgeben kann.

 

Weitgehend unbeachtet und unkommentiert sind die guten Geschäfte, die in anderen Umfeldern und Milieus blühen.

Zum einen ist in der Subkultur der Querdenker ein wahres Konjunkturprogramm entstanden für obskure Heilmethoden, Substanzen zur angeblichen Stimulierung des Immunsystems, aber auch für verschwörungstheoretische Kanäle auf Telegram oder im Internet. Auch Spendengelder der gläubigen Masse sollen in großer Zahl geflossen sein. So mancher der querdenkenden Vordenker hat sich auf Kosten seiner Schäfchen gesund gestoßen.

 

Testzentrum in Hamburg geschlossen

Ein noch größeres Geschäftspotential scheint der Handel mit gefälschten oder zu Unrecht ausgestellten Covid-

Schnelltesten, sowie mit gefälschten Impfzertifikaten zu bieten. Erst in den letzten Tagen flog in Hamburg wieder ein Testzentrum auf. Die Polizei-Beamten der neu gegründeten Abteilung „Merkur“ ermittelten, dass in dem Zentrum Zertifikate ohne durchgeführte Tests verkauft wurden. Sie konnten laut „Hamburger Abendblatt" beobachten, wie Besucher eines einschlägigen „Kulturvereins“ vorher nur kurz einmal im Testzentrum vorbeischauten, und sofort danach mit fertigem Zertifikat in die Gaststätte gingen.

 

Die Täter stellten sich also ziemlich dusselig an. Die Unbedarftheit hat vermutlich ihren Grund darin, dass sie

sich sehr sicher fühlten und mit Verfolgung überhaupt nicht rechneten. Noch lässiger als die beiden inflagranti erwischten Testfälscher aus dem „Kulturverein“ lassen es die Kunden des smarten Rechtsanwalt Dr. Can Ansay angehen. Sie können das Testzertifikat auf dem Sofa, „mit ein paar Mausklicks“, erwerben.

 

Der Fall Dr. Can Ansay

 

Can Ansay ist der umtriebige Rechtsanwalt, der den Webdienst „AU-Schein.de“ betrieben hat oder betreibt und

bei vielen Presseorganen und der Politik Sympathien genoss. „AU-Schein.de“ ist eine Seite, auf der man ohne

realen Arztbesuch, nur per Internet, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten kann. Mit Videochat kostet

eine AU 9 Euro, ohne 14 Euro.

 

Can Ansay galt zurecht als Vorreiter und gutes Beispiel für die Telemedizin. Wohlwollende, gelegentlich kritische  Kommentierungen von Journalisten gab es zuhauf. Das in seinem Krankschreibungsdienst übliche Maß an Sorgfalt wurde auch in seinem „Online Bürgertest“ eingehalten. Per Internet, also ohne physische Präsenz, werden dort Corona-Tests durchgeführt, wie auch immer das abläuft. Ansay wirbt selbst für sein Angebot mit den Worten:

 

„Der Online Bürgertest": Dein kostenloser Freibrief für 3G & 2G/2G+ als PDF vom Arzt fertig in 5 Min.“

 

Reporter der „TAZ" ließen „testweise ein Zertifikat erstellen – mit frei erfundenen Daten. Es fand keine Prüfung der Angaben statt, vom Testergebnis bis zu den persönlichen Daten und Angaben zur Krankenkasse.“ Laut dem Magazin „Cicero“ beruft sich Ansay dabei „auf die Regeln der Telemedizin. Danach, so behauptet er gegenüber „Cicero“, dürfen Ärzte auch ohne persönlichen Erstkontakt beraten und behandeln“ 

 

Er sieht sich selbst als Pionier der Telemedizin, was die erstaunlich wohlwollenden Kommentare von Journalisten erklärt und die Tatsache, dass er mit dieser Tour lange Zeit durchkam. Seine Mutter, eine früher einmal in Hamburg durchaus angesehene Gynäkologin, war bis vor kurzem das Aushängeschild seiner Firma und Unterschreiberin seiner Atteste. Inzwischen habe sie sich von dem Unternehmen ihres Sohnes zurückgezogen, so heißt es.

 

Ob Ansay die Daten seiner Kunden benutzt, um irgendwo bei irgendeiner KV über imaginäre Testcenter abzurechnen, weiß niemand. Es wäre auch kaum zu kontrollieren. Kontrolle kaum möglich

 

Den KVen wurde vom Staat die Aufgabe übertragen, die Bezahlung der Testcenter buchhalterisch abzuwickeln. Er hat diese Aufgabe outgesourct, vermutlich auch um seine Beamten, die vor kurzem ihre Coronaprämie kassieren durften, nicht weiter zu überfordern. Eine reguläre Prüfung durch die KVen findet dabei nicht statt, sie ist nicht vorgesehen. Der Staat bedient sich nur der Buchhaltung der KVen. Somit muss man davon ausgehen, dass niemand die Abrechnung der oft obskuren Testzentren kontrolliert, denn von den Gesundheitsämtern wird das niemand erwarten wollen.

 

Nur durch Zufall kann ein Betrüger mit gefälschten Schnelltest auffliegen. Für die Gesundheits- und Sozialbehörden bringt die Auslagerung ihrer Aufgaben an die KVen einen schönen Nebeneffekt (vielleicht ist es auch der gewünschte Haupteffekt): Wenn irgendwann einmal das Ausmaß der unregelmäßigen Abrechnungen bekannt werden wird, sind die die Ämter aus dem Schneider und der Sündenbock mit der KV schon präsentiert. Immerhin wurde dem Juristen Dr. Ansay die Werbung für sein Internetangebot inzwischen gerichtlich untersagt. Das Impressum seiner Website weist jetzt eine Adresse in Karatschi, Pakistan auf. Sicher ist sicher!

 

Erfundenes Testzentrum

 

In Karatschi wäre jetzt vermutlich auch die Frau lieber, gegen die gerade in Essen Anklage erhoben wurde, weil sie in ganz Deutschland bei verschiedenen Kassenärztlichen Vereinigungen 11 Testzentren registriert hatte, die gar nicht existierten.

Fast eine Million Euro, vermutlich nur ein kleiner Teil des Umsatzes, sei inzwischen gepfändet worden.

 

Immerhin, das muss man positiv erwähnen: Wenn hier „nur“ Luftbuchungen durchgeführt worden sein sollten, ohne dass gefälschte Testzertifikate in den Umlauf gebracht wurden, ist „wenigstens“ nur ein finanzieller Schaden entstanden, kein gesundheitlicher. Die anscheinend weit verbreitete Tour, nicht nur zu kassieren, sondern auch noch falsche Zertifikate auszustellen, ist vom Standpunkt der Pandemiebekämpfung noch weit schädlicher als der Betrug in seiner Reinform.

Und das gilt natürlich erst recht für gefälschte Impfzertifikate. 

 

Gefälschte Impfzertifikate

 

Denn auch Impfzertifikate werden gefälscht. Bekannt wird dies zwar nur selten, könnte aber weit verbreitet sein.

Einer dieser seltenen Fälle ist der ehemalige Trainer von Werder Bremen Markus Anfang, der seinen Job wegen eines gefälschten Impfzertifikats verlor. Im Mittelpunkt der öffentlichen Darstellung stand vor allem die Person Markus Anfang, sein Leugnen, die .berführung, das Geständnis und schließlich der Jobverlust und die (in meinen Augen viel zu niedrige) Sperre. Was überhaupt nicht diskutiert wurde, ist die Frage, warum ein Impfzertifikat so leicht gefälscht werden kann. Kaum jemanden scheint das zu interessieren, kaum ein Journalist mag hier recherchieren, wie die Impfzertifikat-Fälschungsindustrie funktioniert. 

 

Und nicht zuletzt gibt es ein Recherchefeld, das so naheliegt, aber bislang trotzdem von keinem Journalisten oder Forscher für sich entdeckt wurde: Es ist meines Wissens bisher noch nie untersucht worden, wieviele der als „Impfdurchbrüche“ gewerteten Patienten auf den Intensivstationen nur auf dem Papier geimpft waren, also gefälschte Impfzertifikate hatten. Das wäre doch ein schönes Thema für eine Dissertation in Medizin - oder in Kriminologie.

 

 

30.01.2022 11:56, Autor: Dr. Matthias Soyka, © änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG

Quelle: https://www.aend.de/article/216521