Über 400.000 Medizinische Fachangestellte (MFA) arbeiten in deutschen Praxen. Zusammen mit ihren Chefs halten sie das deutsche Gesundheitswesen am Laufen. Ihre Arbeit ist eine wesentliche Bedingung dafür, dass die ambulante Medizin trotz aller Kürzungen und Fehlreformierungen immer noch so gut funktioniert, dass viele Patienten die Krise des Gesundheitswesens bis jetzt gar nicht spüren.
Wegen des niedrigen Gehaltsniveaus wandern immer mehr MFA nach ihrer Ausbildung
in andere Bereiche ab.
Dieser Einsatz wird den MFA nicht in ausreichender Weise honoriert. Nicht von den Patienten, nicht von der Ö!entlichkeit und
in manchen Fällen auch nicht von ihren Arbeitgebern. Die MFA haben das Pech, in einer Schere festgeklemmt zu sein: Die
Umsätze der niedergelassenen Kassenärzte sind seit Jahren unverändert, während die Kosten für Geräte, Miete und Löhne steigen. Die Tariflöhne der MFA allerdings stiegen lange Zeit sehr viel schwächer als die in anderen Branchen. Erst in den letzten Jahren kam etwas Bewegung in die Tarifsituation der MFA. (Und diese schlappen Erhöhungen bringen manche Praxis
schon in echte Schwierigkeiten!) Wegen des niedrigen Gehaltsniveaus wandern immer mehr MFA nach ihrer Ausbildung in andere Bereiche ab. Für die Praxen wird es schwieriger, offene Stellen mit guten Leuten zu besetzen. Zu den
Arbeitgebern, die sich über die in den Praxen ausgebildeten Arbeitskräfte freuen, gehören vor allem Krankenkassen und Kliniken. Letztere zahlen den MFA meist weniger als ihren Krankenschwestern, aber immer noch mehr als den MFA in
vielen Praxen.
Das ist ein gewaltiges Problem, das bislang noch weitgehend unterschätzt wird. Die Dimension verdeutlicht die Antwort des Hamburger Senats auf eine kleine Anfrage der CDU: 2019 waren danach in Hamburg 9.622 MFA beschäftigt, davon 7.491 in den Praxen, 1.165 in den Krankenhäusern und 60 in der öffentlichen Verwaltung. Dazu kommt die große Zahl der MFA, die bei Krankenkassen, DRV und BGen arbeiten. Bei der Ausbildung hält sich der öffentliche Sektor vornehm zu
zurück. In ganz Hamburg wurden im Arbeitsmedizinischen Dienst und dem UKE in den letzten Jahren 0-1
MFA ausgebildet, in diesem Jahr erstmalig 5. Die MFA wandern ab, weil sie unterbezahlt sind.
Das ist nicht allein unsere Schuld, denn die fehlenden Honorarsteigerungen sind eine Tatsache.
Aber es ist leider auch unsere Schuld und vor allem die Schuld der Kollegen, die ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf Kosten der MFA lösen wollen. Das
Paradebeispiel war für mich eine Kollegin, die sich abfällig über IGEL äußerte,
aber ihren MFA nicht einmal den Tarif bezahlte.
Jetzt akzentuiert sich das Problem. Denn die Krankenhäuser sind jetzt verpflichtet, Mindestmengen an Pflegepersonal zu beschäftigen. Nirgendwo steht geschrieben, dass das keine MFA sein dürfen. Gleichzeitig werden von den Kassen Kosten
für Pflegepersonal und Hebammen übernommen. So werden Gelder frei, um Personal einzukaufen.
Das wird die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt massiv verändern. Die Arztpraxen werden schon bald in diesem ungleichen Konkurrenzkampf um die von ihnen ausgebildeten Fachkräfte nicht mehr mithalten können. Diese Verschiebung der Nachfrage hat das Potenzial, das ambulante System zu sprengen. Sie könnte noch schneller Wirkung zeigen als der zu erwartende Auszug meiner Generation in den Ruhestand. Wer hieran etwas ändern möchte, muss sich dafür einsetzen, dass die MFA besser bezahlt werden. Allerdings geben die Umsätze der Praxen das zur Zeit nicht her. Neben dem Kampf für bessere Honorare wäre es daher angebracht, sich für Zahlungen durch die Krankenkassen einzusetzen – und zwar in gleichem Maße wie sie die Kliniken erhalten.
Die MFA verdienen nicht nur einen Bonus für ihre Leistungen in der Pandemie, ihre Löhne sollten auch direkt von den Kassen bezuschusst oder übernommen werden - so wie es bei Pflegekräften und Hebammen vorgesehen ist. Es geht daher einerseits um Forderungen an die Kassen und die Politik, aber zugleich auch um Fairness und Wertschätzung unseren Angestellten gegenüber.
Das ist nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Notwendigkeit, sondern auch der Gerechtigkeit.
Ohne unsere MFAs halten wir den Laden nicht zusammen.
Soyka, Matthias. (2020, Nr. 11). Unterstützungszahlungen für MFA sind notwendig!
KVH Journal, S. 22 von: https://www.kvhh.net/_Resources/Persistent/7/b/b/1/7bb14b82db33544fe594d410e503249e9be964d5/11_20_www_KVH_Journal_RZ02.pdf